Stellungnahme zur Zuchtwertschätzung

Stellungnahme der „Gesellschaft für Röntgendiagnostik genetisch beeinflußter Skeletterkrankungen bei Kleintieren e.V." zu Dr. Beuing's Hüftgelenksqualität (HQ-Index) und Ellbogengelenksqualität (EQ-Index) als Basis für Zuchtwertschätzungen.

In letzter Zeit erreichen uns immer wieder Anfragen von Tierärzten über neue Messmethoden im Zusammenhang mit Hüftgelenksdysplasie (HD) und Ellbogendysplasie (ED). Die Indices HQ und EQ sind von Dr Beuing aus Giessen eingeführt worden und werden vom TG Verlag als Grundlage für Zuchtwertschätzung angeboten.

Dazu hat die Gesellschaft für Röntgendiagnostik genetisch beeinflusster Skeletterkrankungen bei Kleintieren auf ihrer Jahresversammlung am 1.11.2002 folgende Stellungnahme abgegeben.

„Jede neue Strategie muss wissenschaftlich begleitet werden, denn sie darf nur eine Zukunft haben, wenn sie hilfreich und erfolgreich ist."
Zitat Dr. Beuing, Unser Rassehund 4/2002, Seite 23

Neue Erkenntnisse zur Vererbung der HD und der ED sind stets willkommen, so lange sie auf überprüfbaren und nachvollziehbaren Grundlagen beruhen.

Zum „HQ-Index" liegt zum heutigem Zeitpunkt (Mai 2002) keine wissenschaftliche Veröffentlichung vor, die eine Nachprüfung der Methode erlaubt. Es liegt auch keine präzise Beschreibung der Berechnungsmethode vor, die es ermöglichen würde, sie nachzuvollziehen oder zu überprüfen. Erste Daten zur Berechnung des HQ-Index wurden der wissenschaftlichen Kommission des VDH am 28.05.02 mündlich mitgeteilt. Aber auch hier blieben Fragen unbeantwortet bzw. unklar. Ein Vergleich zwischen den Erfolgen mit der Standardmethode gegenüber der angeblich vorteilhaften „HQ"-Methode als Basis für eine Zuchtwertschätzung ist erst seit kurzer Zeit möglich. Für eine verbindliche Aussage dazu ist es noch zu früh.

Die Grundlagen zum „EQ-Index" können der 2001 erschienenen Dissertation von Ch. Mues (Giessen 2000) entnommen werden. Zur Zeit wird die Methode von verschiedenen Untersuchern überprüft. Erste Ergebnisse zeigen, dass einige Angaben nicht vollständig nachvollziehbar sind. Die exakte Berechnung der Gewichtung der Messgrößen (Winkel) zur Ermittlung des Selektionsindexes ist aus der Arbeit nicht zu entnehmen.

Kritik muss an der Verwendung der Begriffe „Hüftgelenksqualität - HQ" und „Ellbogengelenksqualität - EQ" geäußert werden. Ihre Werte allein sagen nichts über die funktionelle Integrität der Gelenke aus. Sie sind lediglich ein Index, der aus verschiedenen Messwerten berechnet wird. Die Messwerte selber wurden ausschließlich auf Grund ihrer Erblichkeit gewählt. Ihre Bedeutung für die Entwicklung eines gesunden Gelenkes ist noch völlig unklar. Ebenso unklar ist, wie sich die Gelenke von Hunden entwickeln werden, deren Eltern ausschließlich auf Grund dieser Werte ausgewählt wurden. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass auch offensichtlich erkrankte Gelenke einen hohen (positiven) Indexwert erreichen können.

Zu der Anwendung des Index „HQ" kann wegen der oben aufgeführten Gründe noch nicht Stellung genommen werden. Zur Zeit orientiert sich auch Beuing immer noch am Resultat des offiziellen Gutachtens, obwohl er an dessen Wert zweifelt. Bei seiner technischen Vermessung der Hüftgelenke wird – ähnlich wie bei diversen Methoden zur Bestimmung der Hüftgelenkslockerheit - ein Bezug zwischen Stellung der Oberschenkelköpfe und der Pfannentiefe hergestellt. Im Gegensatz zu den objektiv geprüften Distraktionsmethoden (Smith, Flückiger, andere) erfolgt die Messung aber an der Standardaufnahme, was nachgewiesenermaßen nicht zuverlässig ist.

Zum „EQ"-Index laufen Untersuchungen. Die Messmethode ist nicht so objektiv und neutral, wie es der Begriff „technische Vermessung von Gelenken" suggeriert. Auch bei PC-gestützten Messungen gehen subjektive Kriterien der messenden Personen ein. Schon geringe Verschiebungen der Messpunkte (z.B. Lage des „Mittelpunktes" der Oberarmgelenkwalze, Messpunkt für den Olekranonwinkel) können zu erheblichen Unterschieden bei der Winkelmessung führen. Dabei ist der Einfluss der Lagerung der Ellbogen (Beugung, Kippung, Rotation) und der technischen Qualität der Röntgenaufnahmen bisher nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt und ist Gegenstand weiterer Untersuchungen.

Die immer wieder kritisierte unterschiedliche Einschätzung der Hüft- oder Ellbogengelenke bei einem Hund durch verschiedene Gutachter kann auch bei diesen „technischen" Messverfahren auftreten. Die Auswirkungen solcher Messabweichungen auf den „EQ"-Wert wurde unseres Wissens bisher nicht überprüft.

Unbestritten ist, dass eine grobe Einstufung der HD- und ED-Befunde bei Heritabilitäts- und Zuchtwertschätzungen zu Informationsverlusten führt. Dies gilt insbesondere für Rassen mit einem großen Anteil von Hunden mit dysplasiefreien Gelenken.

Zur Lösung dieser Problematik stehen schon heute detaillierte Beurteilungsmethoden bei HD und ED zur Verfügung, die in der Schweiz und in England verwendet werden und den Zuchtvereinen als Basis einer Zuchtwertschätzung angeboten werden können.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass es noch völlig unklar ist, ob die Indices „HQ" und EQ" die bessere Alternative zu den bisherigen Befunden als Basis für Zuchtwertschätzungen und insbesondere Ausbildung funktioneller Gelenke darstellen. Beide Methoden sollten daher über einen ausreichend langen Zeitraum parallel angewendet werden. Die Ergebnisse müssen von neutraler Stelle überprüfbar sein. Zu prüfen sind insbesondere: Messmethodik, Einfluss der Lagerung, verwendete Kriterien, rassespezifische Unterschiede, Berechnungsweise der Indices sowie (ganz wichtig) Folgen der Anwendung der Methodik auf die Ausbildung der Gelenke bei den Nachkommen und mehr.

Ausschlaggebend für den Erfolg einer Methode ist ihre vorurteilslose und sorgfältige Beurteilung über mehrere Generationen. Dazu erforderlich ist eine offene Darlegung der verwendeten Kriterien und allfälliger rechnerischen Methoden zur Bestimmung des Eigenwertes und des Zuchtwertes eines Hundes. Jegliche verdeckte Datenbearbeitung oder unvollständige Darlegung der Methodik ist unwissenschaftlich und deshalb zurückzuweisen.

Für die Gesellschaft
gez . Prof. Dr. Klaus Hartung, Berlin